Klassische Schachpartien Teil I – Die Immergrüne Partie

Publiziert am 16. Februar 2013 von Markus Regez

Die Immergrüne Schachpartie von Anderssen übt auch heute noch einen besonderen Reiz aus. Viele Russische Schachtrainer betonen, wie wichtig es ist, sich mit den Klassikern zu befassen. Neben dem Lerneffekt bieten diese Partien oft einen unvergleichlichen Genuss.

[Event "Berlin 'Evergreen'"] [Site "Berlin"] [Date "1852"] [White "Anderssen, Adolf"] [Black "Dufresne, Jean"] [Result "1-0"]   1. e4 e5 2. Nf3 Nc6 3. Bc4 Bc5 4. b4 {Das Evans-Gambit. Es wurde von Captain Evans auf einer langen Schiffsreise um das Jahr 1824 herum entdeckt und gehörte zu den beliebtesten Eröffnungen des 19. Jahrhunderts. Nach einer langen Durststrecke wurde es nach Kasparovs Siegen gegen Anand und Piket im Jahr 1995 wieder belebt und wird auch heute von Grossmeistern gerne als Überraschungswaffe gespielt.} Bxb4 {Schwarz kann das Bauernopfer mit Lc5-b6 auch ablehnen, doch Weiss steht dann aktiver.} 5. c3 {Das ist eine der Grundideen des Gambits: Weiss gewinnt Zeit mit dem Angriff auf den Läufer und öffnet die Diagonale d1-a4 für seine Dame, die später gerne nach b3 zieht. Von dort aus greift sie gemeinsam mit dem Läufer den Punkt f7 an.} Ba5 (5... Be7 { gilt als solider - doch auch hier besitzt Weiss schönes Spiel für den Bauern:} 6. d4 Na5 7. Be2 $5 (7. Nxe5 {führt zu ruhigerem Spiel mit etwa gleichen Chancen.}) 7... exd4 8. Qxd4 d5 9. Qxg7 Bf6 10. Qg3 dxe4 11. Nd4 Ne7 12. Nb5 { Und Weiss besitzt Angriff! Eventuell lässt sich das Spiel von Schwarz in den nächsten Zügen verbessern. Aber auf alle Fälle verfügt Weiss hier über lästige Drohungen.} Nd5 13. c4 a6 14. cxd5 axb5 15. Nc3 Qd6 16. Bf4 Qb4 17. Be5 Qe7 18. Bxf6 Qxf6 19. O-O Bd7 20. Nxe4 Qd4 21. Qf4 Kd8 22. Rac1 Nc4 23. Bxc4 bxc4 24. Rxc4 Qxc4 25. Qf6+ Ke8 26. Re1 Rf8 27. Nd6# {1-0 Huschenbeth,N (2502) -Gustafsson,J (2646)/Bonn 2011/CBM 142 Extra}) 6. d4 exd4 7. O-O d3 8. Qb3 Qf6 (8... Qe7 9. Ba3 d6 10. Re1 Nf6 11. e5 {mit weissem Angriff.}) 9. e5 Qg6 10. Re1 Nge7 11. Ba3 b5 ({Schwarz sollte hier rochieren. Weiss besitzt danach trotzdem Angriffs-Chancen, aber die sind nicht so gross, wie in der Partie. Denn der König ist in der Mitte in den meisten Fällen viel anfälliger.} 11... O-O 12. Nbd2 Bb6 13. Qb1 d5 14. exd6 cxd6 15. Bxd3 Bf5 {mit guten Verteidigungsmöglichkeiten.}) 12. Qxb5 Rb8 13. Qa4 Bb6 14. Nbd2 Bb7 15. Ne4 Qf5 (15... O-O {nun war es bereits zu spät für die Rochade!} 16. Bxd3 Qh6 17. Bc1 Qh5 18. Ng3 {und Weiss gewinnt die Dame.}) (15... d2 16. Nexd2 O-O 17. Ne4 { überzeugt ebenfalls nicht für Schwarz. Denn bald kommt der weisse Läufer wieder nach d3, wonach die schwarze Dame erneut gejagt wird.}) 16. Bxd3 Qh5 17. Nf6+ $1 {Das Ausrufezeichen steht in erster Linie für Andersens Mut, diesen Zug zu wagen. Die Idee ist jedoch klar: Weiss will mit aller Gewalt die e-Linie öffnen. Ein sehr gutes Mittel gegen Könige, die in der Mitte stecken geblieben sind.} ({Einfacher war es jdoch, eine Jadg auf die zweit-wertvollste Figur zu inszenieren: auf die schwarze Dame!} 17. Ng3 Qh6 18. Bc1 Qe6 19. Bc4 Nd5 20. Ng5 Nxc3 (20... Qg4 21. Re4 Nxc3 22. Rxg4 Nxa4 23. Bxf7+ Kd8 24. Rxa4 { Mit einer Figur mehr!}) 21. Qb3 Qg4 22. Bxf7+ {Schwarz rettet die Dame, aber nun gerät sein König ins Kreuzfeuer.}) 17... gxf6 18. exf6 Rg8 19. Rad1 $5 ({ Der zweite Weltmeister Emanuel Lasker war  davon überzeugt, dass 19.Tad1 nicht der stärkste Zug sein konnte und schlug in einer umfassenden Analyse den Zug 19.Ld3-e4 vor. Interessant ist, dass die stärksten heutigen Analysemodule ebenfalls den Läuferzug bevorzugen. Und da Schwarz nach 19.Tad1 ein Remis herbeiführen kann, ist objektiv 19.Le4 wohl objektiv stärker. Trotzdem: Am Schachbrett bei tickender Uhr ist 19.Tad1 mit all den versteckten Drohungen sehr unangenehm - was auch der Partieverlauf eindrücklich aufzeigt.} 19. Be4 Qh3 (19... Rg4 20. Qd1 $1 {das ist stärker als der von Lasker empfohlene Zug Db3-c2.} Rxe4 21. Rxe4 Qf5 22. Qa4 Qxf6 23. Rae1 d6 24. Rxe7+) (19... d5 20. Bxd5 Qxd5 21. Rad1 {gewinnt einfach (Lasker).}) 20. g3 Rxg3+ 21. hxg3 Qxg3+ 22. Kh1 Bxf2 23. Re2 {Lasker glaubte, dass Weiss nun auf Gewinn stehe - doch nach dem überraschenden} Nd4 $3 {ist es Schwarz, der gewinnt.} 24. Qxd4 (24. cxd4 Bxe4 25. Rxf2 Qxf2 {nebst Lxf3.}) 24... Qh3+ 25. Nh2 Bxd4 26. cxd4 Bxe4+ 27. Rxe4 Qxa3 $19) 19... Qxf3 $2 {Sieht stark aus - ist es aber nicht! Schwarz droht nun Matt in einem Zug. Doch dabei hat Dufresne den Angriff Anderssens unterschätzt!} (19... Qh3 $1 {hält laut neuesten Analysen das Remis! Tim Harding machte in seinen Analysen auf Chesscafe.com auf diese Möglichkeit aufmerksam und wundert sich darüber, dass Kasparov in seinem Buch über seine Vorgänger diesen Zug überhaupt nicht erwähnt!} 20. Bf1 {Weiss hat keinen besseren Zug. Denn nun funktioniert der Angriff mit dem Zweiläufermatt nicht, da die schwarze Dame die Diagonale nach d7 deckt.} Qf5 21. Bd3 Qh3 ({zu gefährlich scheint:} 21... Qxf6 22. Be4 {und es ist noch immer sehr unangenehm für Schwarz mit einem König in der Mitte zu spielen.}) 22. Bf1 Qf5) 20. Rxe7+ $1 {Der Beginn einer brillanten Opferserie!} Nxe7 (20... Kf8 21. Re3+) (20... Kd8 21. Rxd7+ Kc8 22. Rd8+ $1 Kxd8 (22... Rxd8 23. gxf3) 23. Be2+ Nd4 24. Bxf3 Bxf3 25. g3 Rg4 26. cxd4 Bxd1 27. Qxd1 Rxd4 28. Qh5 {Und Weiss hat eine Gewinnposition, da die schwarzen Figuren hier zu wenig koordiniert sind und Schwarz über viele Bauernschwächen verfügt (alle Bauern sind isoliert - ein willkommenes Fressen für die weisse Dame).}) 21. Qxd7+ $3 {Anderssen muss all dies schon einige Züge im Voraus gesehen haben!} Kxd7 22. Bf5+ {Doppelschach!} Ke8 23. Bd7+ Kf8 24. Bxe7# {Ein wunderschönes Zwei-Läufermatt!} {1-0}

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