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Damenopfer Erster Teil

Publiziert am von Markus Regez

Das Damenopfer ist aus materieller Sicht das grösste Opfer im Schach. Ausser man opfert noch mehr als nur eine Dame! In unserem Thema des Monats zeige ich einige sehenswerte und instruktive Beispiele klassischer Schachautoren – von Lucena, Damiano und Greco über Stamma bis hin zu Ponziani. Gleichzeitig versuche ich, wenn auch nur im Ansatz, die Bedeutung typischer Ideen für spätere Schachspieler-Generationen aufzudecken. So taucht beispielsweise eines der berühmtesten Mattmotive in Partien von Paul Morphy und dem jungen Bobby Fischer auf. Die Urform dieses Mattbildes stammt aus dem Jahr 1500.

Klassische Studien mit Damenopfer
Wer das Schach in seiner Tiefe verstehen will, sollte unbedingt die Klassiker studieren. Nicht nur die klassischen Schachpartien – sondern auch die klassischen Aufgaben und Studien aus den Werken von Lucena, Greco, Lolli, Stamma, Philidor und anderen. Hier nun eine Auswahl von berühmten Damenopfer-Aufgaben.

 

Lucena, 1500

Vermutlich ist das die erste Studie zum „Erstickten Matt“. Wie durch ein Wunder gelingt es Weiss, den schwarzen König in die Enge zu treiben und mit einem einzelnen Springer Matt zu setzen! 1.Dc6-e6+ Kg8-h8 (1. …Kg8-f8 2.De6-f7 matt) 2.Se5-f7+ Kh8-g8 3.Sf7-h6++!! Doppelschach – der Schlüsselzug! 3. …Kh8-g8 4.De6-g8+!! todesmutig opfert sich die weisse Dame und zwingt den schwarzen Turm auf das Feld g8. 4. …Tb8xg8 und nun setzt der weisse Springer mit dem Zug 5.Sh6-f7 den König in der Ecke matt. Für jeden, der dieses Mattbild zum ersten Mal sieht, ist es eine echte Sensation! Es hinterlässt einen ästhetischen Eindruck und der typische Mattmechanismus prägt sich tief ins Gedächtnis ein.

Ersticktes Matt

Das „Erstickte Matt“ kam im Laufe der Jahrhunderte in unzähligen Schachpartien in diversen Variationen immer wieder vor. Es gehört zum „Grundwortschatz“ eines jeden Schachspielers und Schachliebhabers!

Damiano, 1512 - Weiss am Zug

Diese Aufgabe zeigt ein Damenopfer, das zu einem schnellen und simplen Matt führt. Weiss spielt 1.Df2xa7+ und entfernt ganz brutal den letzten Bauernschild vor dem gegnerischen König. Schwarz hat keine Wahl! 1. …Ka8xa7 und nun folgt prosaisch das Treppenmatt mit zwei Türmen. 2. Tb2-a2+ De4-a4 3.Ta2xa4 matt. Dieses Mattbild ist eines der allerhäufigsten. Es kommt vor allem in Schülerpartien vor, in denen bis zum Matt gespielt wird. Oft muss der König dabei zuerst von der Brettmitte an den Rand gedrängt werden. Dabei ziehen die beiden Türme so, als würden sie eine Treppe hoch oder runter steigen. Daher stammt auch der Name für das Matt.

Treppenmatt

Das Treppenmatt gelingt vorwiegend am Rand – kann aber in Ausnahmefällen auch mitten auf dem Brett möglich werden. Beispielsweise, wenn sich beide Könige in der Nah-Opposition befinden.

Greco, 17. Jh. - Schwarz am Zug

Greco zeigt eine Variation des „Erstickten Matts“. 1. …Sg4-f2+ 2.Kd1-e1 Sf2-d3++ 3.Ke1-d1 (3.Ke1-f1 Dg3-f2 matt) 3. …Dg3-e1+ !! wieder das typische Damenopfer, um eine weisse Figur auf das Feld neben den König zu zwingen. 4.Sf3xe1 nun vollendet der schwarz Springer die Kombination mit 4. ….Sd3-f2 matt! Ähnliche Variationen des Erstickten Matts finden sich später in Partien von Paul Morphy. Als Variante taucht es sogar in der „Partie des Jahrhunderts“ Byrne-Fischer, New York 1956 auf (siehe folgendes Diagramm). Fischer hat gerade den erstaunlichen Zug 17. …Lg4-e6!! entkorkt und bietet ein sehenswertes Damenopfer an, das Byrne schliesslich nach langem Nachdenken mit 18.Lc5xb6 annahm.

Byrne-Fischer, New York 1956 (w)

Hinter den Kulissen blieb das „Erstickte Matt“. Nach 18.Lc4xe6 plante Fischer 18. …Db6-b5+ 19.Kf1-g1 Sc3-e2+ 20.Kg1-f1 Se2-g3++ 21.Kf1-g1 Db5-f1+!! 22.Td1xf1 Sg3-e2 matt zu spielen. Was Donald Byrne natürlich auch wusste und voraussah.

Stamma, 1737 - Weiss am Zug

Im Jahre 1737 verfasste Philipp Stamma ein bemerkenswertes Schachbuch mit dem Titel: „Essai sur le jeux des échecs“. Unlängst hat GM Robert Hübner in einem Artikel in der „Schachwelt“ auf diesen Klassiker aufmerksam gemacht. Die Erstauflage umfasste 100 Schachkompositionen. Sehr instruktiv und sehenswert! Nebenstehend ein Beispiel, in dem ein Damenopfer nicht das einzige Opfer auf dem Weg zu einer weiteren Variation des „Erstickten Matts“ bleibt. Schwarz droht auf zwei Arten Matt! Deshalb muss Weiss all seine Züge absolut genau berechnen und mit jedem Zug Schach bieten. 1.Ld3-e4+ Th7-b7 2.Df4-b8+!! Tc8xb8 3.Ta1xa7+!! Lb6xa7 4.Sb5-c7 matt.

Variation des Erstickten Matts

Enorm wichtig ist hier die Fesselung des schwarzen Turmes auf b7 durch den Läufer auf e4. Erst dadurch hat der weisse Springer überhaupt „Zugriff“ auf das Feld c7. Besonders instruktiv bei diesem Beispiel ist, dass Schwarz bei ungenauem Spiel von Weiss sofort gewonnen hätte.

Stamma 1737 - Weiss am Zug

Eine weitere Aufgabe aus jenem Buch und laut Jakow Neistadt die berühmteste! Auch hier droht Schwarz ein Matt in einem Zug. Und noch ist nicht zu sehen, wie Weiss überhaupt an den schwarzen König herankommt. 1.Tc4-h4! verhindert unter Opfer die Mattdrohung auf h1. 1. …Dh3xh4 2.Db3-g8+!! Kh8xg8 (2. …Tf8xg8 scheitert natürlich an 3.Se5-f7 matt) Nun folgt der Einsatz der Kavallerie! 3.Sc6-e7+ Kg8-h8 4.Se5-f7+ Tf8xf7 erzwungen. Nun ist die 8. Reihe freigelegt. 5.Tc1-c8+ Tf7-f8 6.Tc8xf8 matt. Weiss hat beinahe seine gesamten Streitkräfte geopfert, um dem weissen Turm auf c1 den alles entscheidenden Auftritt zu ermöglichen. Was für ein taktisches Feuerwerk von tiefer Schönheit! Und ein Beweis, dass eine noch so sicher scheinende Königsstellung mit Phantasie, brutaler Gewalt und Schlauheit geknackt werden kann.

Ponziani 1769 - Weiss am Zug

Zum Schluss schauen wir uns noch eine Remis-Kombination an. Weiss ist hier materiell arg im Hintertreffen. Ein Sieg liegt in weiter Ferne und wäre absolut illusorisch. Doch auch ein Unentschieden scheint unmöglich zu sein… Hmmm. Doch im Schach gibt es eine seltsame Regel, die einem erlaubt, trotz massiver Unterzahl von Figuren noch ein Unentschieden zu erreichen. Das Patt! Und Weiss erreicht dies folgendermassen: 1.Lh4-f2 der Läufer fesselt die Dame. Doch Schwarz wehrt dies umgehend ab. 1. … e4-e3 2.Lf2xe3! ein hartnäckiger Kerl dieser Läufer! 2. …Dd4xe3 was sonst? Und nun folgt die Grundidee 3.Dh2-f2!! noch ein Desperadozug 2. …De3xf2 patt. Eine neckische Pointe zeigt sich, wenn Schwarz die Dame nicht nehmen will: 3. …Dd4-c5?? 4.a4-a5! Aua! Schwarz verliert seine Dame.
Fortsetzung folgt!